Ein Schaf im Wolfspelz
Wir befinden uns in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Ganz China ist von den Japanern besetzt. Ganz China? Nein, eine von unbeugsamen Chinesen bevölkerte Kampfkunstschule hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. „Fist Of Legend“, ein Remake von Bruce Lees “Fist Of Fury”, verbindet die für viele Kampfsportfilme typische Epik jener Jahre mit einer etwas komplexeren Handlung, spektakuläre Martial arts mit einer etwas differenzierteren Weltsicht. Bierernst nehmen sollte man den Genreklassiker von 1994, in dem Jet Li nicht nur als Hauptdarsteller sondern auch als Produzent fungierte, natürlich trotzdem nicht.
Li spielt Chen Zen. den Meisterschüler der Kampfsportschule Jingwu-Mun. Während seines technischen Studiums an der Universität Kyoto erfährt Chen vom Tod seines Adoptivvaters Huo. Der Meister der Kampfsportschule ist während eines Herausforderungskampfes mit dem Meister einer anderen Schule getötet worden. Chen kehrt nach China zurück und kommt durch die Obduktion der Leiche einer politischen Intrige auf die Spur. Huo ist vor dem Kampf vergiftet worden. Durch Huos Tod sollte der Niedergang der regimefeindlichem Kampfsportschule eingeleitet werden.
Drahtzieher der Intrige ist Fujita, General der japanischen Besatzer. Der Befund der Vergiftung bringt Chen schnell auf Fujitas Spur. Daraufhin tötet Fujita Huos Herausforderer Akuluwaga und lenkt den Verdacht auf Chen. Doch in dem anschließenden Schauprozess gibt seine japanische Freundin Mitsuku Chen ein Alibi. Ihr öffentliches Bekenntnis zu ihm rettet ihn, stellt ihn aber vor die Wahl zwischen seiner Schule und ihr. In einem Kampf um die Führung der Schule besiegt er seinen Halbruder Ting, den leiblichen Sohn Huos. Doch sein Ruf ist durch die Verbindung mit einer Japanerin ruiniert. Deswegen zieht er es vor, Jingwu-Mun zusammen mit Mitsuku zu verlassen.
Ting stürzt nach seiner Niederlage aber in eine Depression, deswegen bleibt die Führung der Schule nach Chens Verzicht unklar. Diese Situation versucht Fujita zu nutzen. Er lässt eine fingierte Herausforderung für den Meister überbringen. Für den Kampf möchte er Funakoshi instrumentalisieren, Meister der japanischen Black Dragon Kampfsportschule. Funakoshi durchschaut die politischen Motive Fujitas und exponiert sich dazu, den Kampf abzulehnen. Dennoch besucht er Chen in seiner Bleibe außerhalb der Stadt und kämpft mit ihm. Der Kampf endet in einem Unentschieden.
Währenddessen hat die immer noch im Raum stehende Herausforderung Ting wieder zur Besinnung gebracht. Er versöhnt sich mit Chen Zen. Gemeinsam nehmen sie den Herausforderungskampf an. Man rate, wer sie dort erwartet.
„Fist Of Legend“ variiert im historischen Gewand ein beliebtes Thema asiatischer Filme: das Verblassen der traditionellen Ideale im Angesicht einer neuen, zynischen Zeit. Inszenierte in „The Killer” John Woo die Rückzugsgefechte seiner melancholischen Helden, die fühlen, daß sie bereits Anachronismen sind, konstruieren in „Fist Of Legend“ die Gegenspieler Fujita und Chen Zen die modernen politischen Subjekte. Na ja, sie würden politische Subjekte konstruieren, wenn „Fist Of Legend“ nicht doch ein durch und durch kommerzieller Film wäre. Die Protagonisten werden aber durchaus positioniert. Ihre Weltanschauung spiegelt sich besonders in ihrer Art zu kämpfen wider. Akuluwaga und Ting repräsentieren den Glauben an eine überholte Tradition, die Fujita und Chen bereits reformuliert und erneuert, man könnte sagen: säkularisiert haben. Funakoshi nimmt eine Außenseiterposition ein.
Fujita ist ein brutaler und machtbesessener Zyniker. Nach seiner Auffassung sollte, muß ein Samurai mit allen Mitteln die Interessen seines Herrn durchsetzen. Er schreckt auch vor Intrigen und Mordanschlägen nicht zurück. Sein Kampfstil ist im Sinne seiner militärischen Ideologie auf Kraft und Stärke ausgerichtet. Seine Schlagkraft und Effizienz machen ihn zum besten Kämpfer Japans, zur „killing machine“. Chen Zen ist als Widerstandskämpfer gegen den japanischen (Kultur)Imperialismus der Tradition stärker verbunden, erweitert sie aber durch ein naturwissenschaftliches Studium in Japan. Seine analytischen Fähigkeiten verdankt er seiner Bereitschaft, vom stärkeren Gegner zu lernen und sich - im Gegensatz zu Ting - modernen Entwicklungen nicht zu verschließen. Sie lassen ihn die Leiche seines Meisters obduzieren und aus dem Befund die richtigen Rückschlüsse ziehen. Damit wird er schnell zu Fujitas stärkstem Gegner, bringt aber auch die eigenen Leute gegen sich auf. Dazu passt sein Kampfstil, der nicht nur klassische Figuren repetiert, sondern sie reflektiert und ständig verbessert. In diesem Sinne lotet er die Schwächen des Gegners aus und konzentriert alle Mittel darauf, seinen Kontrahenten zu besiegen. Es ist sein zielgerichtetes Verhalten, dass ihn variabler und mental beweglicher sein lässt als die anderen Kämpfer.
Die stilistischen Unterschiede zwischen den Kämpfern sind in den schnellen, harten, wirklich spektakulären Kampfszenen auch für Laien mühelos erkennbar. Die Choreographie übernahm Yuen Woo-Ping, der später auch für „Tiger and Dragon“ und „Matrix“ verantwortlich zeichnete. Auch die etwas komplexere Handlung hebt „Fist of Legend“ über den Durchschnitt normaler Kampfsportfilme. Und hier und da wird der Film sogar überraschend selbstbezüglich. Nach dem Duell mit Funakoshi wird Chen Zens naiver Glaube an Siege durch Überlegenheit im persönlichen Kampf widerlegt, als Funakoshi, der ebenbürtige Kämpfer kommentiert: „Wenn Du einen Menschen töten (i.e. einen Kampf gewinnen) willst, dann nimm am besten eine Pistole“. Was nichts anderes heisst, als das die technische Entwicklung die Samurai ihrer Bedeutung beraubt hat. Chen Zens Siege ändern nichts, sie führen keine höhere Gerechtigkeit herbei. An der militärischen Überlegenheit der japanischen Infrastruktur ist nicht zu rütteln.
Junge Menschen, die diesen Film gesehen haben, wissen also: Politische
Entscheidungen fallen in modernen Gesellschaften nicht mehr in einem
persönlichen Kampf. Fujitas Intrige basierte auf dem kulturellen Wissen, dass
ein siegreicher Herausforderer (in einem offiziellen Herausforderungskampf) die
Kampfsportschule seines unterlegenen Kontrahenten übernimmt in Verbindung mit
seiner Fähigkeit, einen mörderischen Giftanschlag zielgenau zu organisieren. Zöge
ein Zuschauer dennoch die Konsequenz, sich eine Waffe zu besorgen und wild
durch die Gegend zu ballern, würde er gewalttätig, dann hätte er den Film nicht verstanden. Dann gälte es, die vermutlich komplexen Ursachen zu ergründen. Vielleicht
ist die Gewalt eine direkte Reaktion auf ein gewalttätiges Umfeld oder spiegelt es? Ist der junge Mann - es sind immer junge Männer - isoliert oder einsam? Hat er zu wenig geistesgeschichtliche Bildung verinnerlicht? (Dann verdient er Haue!) Ist es - es ist mit Sicherheit! - ein Bündel von Gründen...?
Ach, lassen wir den jungen Menschen doch ihre Filme, ihre Musik und ihre Computerspiele, solange wir sie sonst nicht alleine lassen! Sie lernen die Welt der subtileren Gemeinheiten, die es nun mal auch gibt, als Erwachsene noch früh genug kennen. Doch, tun sie. Versprochen.
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