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Vor dem ersten Post kein ausgearbeitetes Konzept zu haben ist effizient und pragmatisch. Damit das schon mal klar ist...
Die Idee für die Gründung von "Soziale Fragen" resultierte aus einem spontanen Besuch des Internetauftritts des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der wiederum aus einer leichten Verärgerung über die Diskussion um das Bürgergeld resultierte. Willemsens Zitat illustriert gut, warum ich leicht verärgert war - und ist viel besser formuliert, als ich es könnte.
„Die verbreitete Form der konservativen Rede ist jene, die das Leben
für seine Tagesform lobt, schönsieht, Erfolge, Zuwachs verzeichnet und
von jedem Umstand einen Weg zu den eigenen Verdiensten findet. Die
seltenere ist jene, die die Einbußen und Verluste, die Notlagen und
Desaster verneint, bagatellisiert oder veralbert. Diese Rolle fällt in
der heutigen Debatte Martin Lindner (FDP) zu. Es gebe eine
Armutsdefinition, sagt er, die dafür sorge, dass es niemals keine Armut
gebe. Der Reichtum steige in der Breite,
und deshalb rutschten andere eben in die sogenannte Armut.
Armutsgefährdung wird vom ihm als die polemischer Erweiterung des
Armutsbegriffs verstanden, wozu CDU/CSU und FDP geschlossen klatschten. 'Es gibt in Deutschland eine Zunahme an Armutsberichten', ruft Lindner, 'aber keine Zunahme an Armut.'
Es sind diese Momente, diese Sätze,
diese Applauswellen, in denen das Parlament aufhört, Volksvertretung zu
sein. Denn wie immer man Armut erklärt, wen immer man verantwortlich
macht – sie zu leugnen zeugt von Verachtung und richtet das
Gemeinschaftspathos, das rhetorisch so gern beschworen wird. Man muss
diesen Moment einmal isolieren, in dem man drei Parteien geschlossen
einem Satz applaudieren sieht, der nur als Verleugnung der Realität
großer Teile der Bevölkerung verstanden werden kann und sich der
Zustimmung einer Mehrheit im Plenum erfreut. Es gibt Momente, in denen
man dem Parlament die Verachtung zurückgeben möchte, mit der es seine
Bürger bisweilen behandelt. Und das meint nicht die geistig unbeschenkte
Polemik eines einzelnen Freidemokraten, sondern den Gesinnungsapplaus
der Claqueure.“
Ich halte unser Sozialsystem für gut. Aber: mein Mißtrauen war und ist
noch geweckt. Seit einiger Zeit teile ich deswegen die
Pressemitteilungen des Ministeriums auf Facebook und kommentiere sie
kurz. Das ist der zweite Teil des Vorhabens. Der erste Teil ist der
Versuch zu verstehen, wie die soziale Frage eigentlich lautet und wo wir
gerade stehen. Der Ergebnisse werden hier gebloggt. Um beides zu
vernetzen. Wenn ich durchhalte. Egal. Legen wir los.
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Das hohe Haus
Ein Jahr im Parlament
Frankfurt: Fischer
S.44/45
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