Die Antwort des Dienstleisters

"Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der Tagesschau", so hallte es schon in meinen Kindertagen unhinterfragt aus dem Familienfernseher. Erst als revoltierender Jugendlicher fragte ich mich mit dem angemessenen pubertären Misstrauen, wer da eigentlich mit mir spricht und warum. Ganz unberechtigt war mein damaliger Argwohn gegen meine vorherige kindliche Naivität, die in den Erwachsenen ihre Projektionsfläche fand aber nicht, wie sich später bestätigte. Es gibt ihn leider nicht, den allwissenden  Roboter, der den Planeten souverän im Blick hat und alle täglichen Ereignisse trennscharf und mit transhumaner Neutralität zu selektieren und richtig einzuordnen weiß. Die Nachrichten der "Tagesschau" werden eben doch von einer menschlichen Redaktion zusammengestellt, die allabendliche Einleitung von einem bezahlten Sprecher intoniert.

Die sich dieser gesunden Desillusionierung automatisch anschließende Frage nach dem Prozeß, in dem die "Tagesschau" entsteht, versucht der etwa dreiminütige Imagefilm zu beantworten, den ich im Profil der Sendung auf youtube fand. Die Selektion und Einordnung finde in zwei Schritten statt. Die Planungsredakteure träfen aus Agenturmeldungen und von Korrespondenten der ARD recherchierten Geschichten bereits eine Auswahl. Dieser Pool wird dann von der achtköpfigen Redaktion ("Sendeteam") eingeordnet und in einem letzten Schritt zu den endgültigen Beiträgen weiterverarbeitet.

Was der Berichterstattung nun wert ist, entscheide die Redaktion "unabhängig und ohne Einfluß von außen". Klar. Wäre der kurze Film technisch weniger aufwendig gestaltet, könnte diese Versicherung des nicht mal namentlich vorgestellten Präsentators mit etwas Phantasie auch in treuherzige Diensleistungsmentalität umgedeutet werden. Denn wer würde schon zugeben, von außen beeinflusst zu werden, wenn man via Auftrag zur Objektivität verpflichtet ist? Und welcher Dienstleister sagt dem Kunden schon die volle Wahrheit, wenn es für ihn nicht mindestens ohne Belang oder sogar von Vorteil ist...?  

Weckte diese Behauptung ein Stück weit wieder das alte Mißtrauen, so wird es in der kommenden Passage weiter genährt. Der kurze Film bricht die Auswahl der Nachrichten auf drei Kriterien herunter: Relevanz, Neuigkeit,Nutzwert. Die Nachrichten werden nicht einfach so rausgeschossen. Die Redaktion hält sich an die Empfehlungen der Medienforschung. Die Kriterien sind also gewissermaßen wissenschaftlich beglaubigt. Kann es in diesen Zeiten einen besseren Ritterschlag geben?
 
Zugegeben. Die beiden letzten Absätze waren etwas polemisch. Ich spare mir an dieser Stelle die Beispiele, in denen ich die Nachrichten als tendenziös empfunden habe. Was mir fehlt, ist das Bekenntnis, dass auch Journalisten, auch Redaktionen eine Haltung haben. Auch dieser Kurzfilm betreibt Marketing für die "Tagesschau". Das ist nicht verwerflich. Unbeeinflußt ist aber offensichtlich niemand. Ständige Objektivität ist ein kaum einlösbarer Anspruch. Wir können uns nicht dagegen wehren, eine Perspektive zu haben. Das hätte man ruhig zugeben können.

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